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Adolf Ledebur mit seinen Töchtern
Adolf Ledebur mit seinen Töchtern (ohne Datum)

Adolf Ledebur auf Reisen – Briefe an seine Familie

Die hier präsentierten Briefe Adolf Ledeburs an seine Frau und die beiden Töchter entstanden während seiner Reisen in den 1880er und 1890er Jahren. Sie zeigen den Wissenschaftler von einer privaten, warmherzigen Seite: aufmerksam, humorvoll und liebevoll verbunden mit seiner Familie. Ledebur berichtet mit Detailfreude von seinen Erlebnissen, Begegnungen und Beobachtungen, beschreibt Hotels, Museen und Fabriken – und verliert dabei nie den Gedanken an die Seinen zu Hause. Zwischen beruflichen Verpflichtungen und wissenschaftlichen Besuchen spiegelt sich in den Briefen ein tiefes Vertrauen und eine von Zuneigung geprägte Partnerschaft.

Nachfolgend werden Ihnen die Digitalisate der Briefe, die sich im Nachlass von Adolf Ledebur erhalten haben, mit den entsprechenden Transkriptionen (Übertragungen aus der altdeutschen Kurrentschrift) in chronologischer Reihenfolge zur Verfügung gestellt. 

Transkription

Wien I Hotel Stadt Frankfurt

30/7 85

Mein liebes gutes Herze

Nach einer zwar schließlich etwas ermüdenden, doch aber recht schönen und vom herrlichen Wetter begünstigten Fahrt bin ich ganz planmäßig um 10 Uhr hier eingetroffen, im Hotel Stadt Frankfurt abgeliefert und als No. 48 bezeichnet worden. Ein eigentliches Zimmer habe ich nicht – wir wenigstens würden nicht wagen es so zu nennen – denn das einzige Fenster desselben mündet auf einen Corridor. Da aber das Bette sehr gut und so groß ist, dass ich ganz nach Belieben der Länge oder der Quere nach liegen kann, so habe ich trotz der schweren Luft ganz gut geschlafen; und heute werde ich ein besseres Zimmer beziehen.

Die Wagen unseres Zuges waren sehr bequem. Jeder hatte an der einen Seite einen Corridor, auf welche alle Coupees’ mündeten und alle Wagen waren unter einander durch Brücken verbunden, so dass man, wenn man wollte, sogar während der Fahrt sich Besuche und Gegenbesuche machen konnte; was auch viele Mitreisende thaten. War man hungrig oder durstig, so ging man in den Restaurationswagen, setzte sich auf einen herrlichen Sessel und ließ sich es wohl sein. Auch für sonstige Bequemlichkeiten war auf’s schönste gesorgt.

In Gedanken habe ich Dich auf Deinem gestrigen Lebenslaufe begleitet. Jetzt steht sie wieder auf; jetzt geht sie zu Tische; jetzt legt sie sich zu Bette und denkt an ihren Mann.

Nun hast Du doch schon einen langen Brief, obschon ich noch Nichts erlebt habe. Eigentlich hast Du es dem edlen Collegen Kreischer zu danken; er fuhr mit mir nach Dresden – ungewaschen, da er die Zeit verschlafen hatte – und schenkte mir die Freimarke, die er zufällig in der Tasche fand und die ich nun verwende. Das war doch ein hübscher Zug?! 

Mein altes liebes Herze leb herzlich wohl, schone Dich recht, grüße die Kinder und denke in Liebe

an deinen Manne 

Transkription

Wien 31 Juli 1885

Mein guter Schatz.

Wie der Marienpfarrer Heims in der Rundschau so will ich in meinem Briefe dir getreulich von meinen Erlebnissen berichten.

Nachdem ich in einem Café am Ring – jener schönen Straße, im Äußern den Linden in Berlin ähnlich, aber die ganze Innenstadt einschließend und deshalb wohl 1 ½ Stunden lang – gefrühstückt (im Gasthofe pflegt man das nicht zu thun) ging ich zum Arsenal vor der Stadt, um die Werkstätten und die Waffensammlung – das Museum – zu sehen. In den ersteren wurde gerade das, was ich sehen wollte, geheim gehalten; der Herr Oberst saß mit einer Pfeife in höchst eigener Person davor und ließ Niemand, weder Männlein noch Fräulein, hinein. Das Museum aber war allein des Besuchs werth. Rüstungen, Schwerter, Dolche, Pistolen u.s.w. aus allen Zeiten und von so wundervoller Arbeit, dass das Auge jedes Metallkundigen und Kunstverständigen davon entzückt sein musste. Türken- und Sarazenenschwerter, wie sie in Erzählungen wohl beschrieben werden, mit Edelsteinen über und über besetzt und mit Gold ausgelegt; Ritterrüstungen, getrieben und in ausgelegter Arbeit; u.s.f. Auch das Lederwamms Gustav Adolfs, in welchem er erschossen wurde, mit der Kugelöffnung im Rücken, hing da; und – du würdest ausgerufen haben: „abscheulich, das hier auszustellen“ – ein ganzer Saal voller preußischer Fahnen und Waffen, welche den Soldaten Friedrichs des Großen im 7jährigen Kriege abgenommen waren.“

Nachmittags besuchte ich das Polytechnikum und fuhr dann mit der Pferdebahn gegen Abend hinaus in den Prater. Da wünschte ich Euch Alle, besonders aber Käthen an meine Seite. Denkt Euch die Schaubuden und Carussels des Wernerplatzes beim Freiberger Jahrmarkte und noch viele dazu zerstreut unter den Bäumen eines großen Parks, dazwischen zahlreiche Kaffeegärten, in welchen unentgeltlich Conzerte gegeben werden oder auf einer freien Bühne Kunststücke gemacht werden, so habt ihr einen ungefähren Begriff des Praters. Auch in einem Sommertheater bin ich gewesen, wie du aus der Beilage siehst (im Opernhause wurde zwar die Zauberflöte gegeben und ich bin wie die Katze um den heißen Brei mehrmals um das Opernhaus herum gegangen; aber der Brei war zu heiß – 5 Gulden für das Parquet). Das Stück wurde im schönsten oberöstreichischen Dialekte gegeben und im Anfange verstand ich ungefähr ebenso viel davon, als wenn ich in Sevilla im Theater säße, aber bald lernte ich es. Hättest Du neben mir gesessen, du würdest sicherlich nicht minder gelacht haben, als vor 16 Jahren im Berliner Schauspielhause mit Freund Walter; ebensowohl über den … als über die köstliche Darstellung.

Nach Neuberg sende mir lieber keine Briefe; ich ziehe es vor, wegen des bessern Anschlusses der Züge in Mürzzuschlag zu übernachten und Montag nach Neuberg und zurück zu fahren. Eilige Sachen, die aber hoffentlich nicht vorkommen werden, erreichen mich am Montag während des Tages in Neuberg durch Vermittelung des Eisenwerks; Dienstag am Tage in Kapfenberg (Steiermark) Addr. Herrn Hüttendirektor Reiser; Dienstag Abend gehe ich, wie mein Plan war, nach Leoben und hoffe dort Nachricht zu erhalten.

In alter treuer Liebe und mit herzlichem Gruße für die Kinder 

Dein Mann  

Theaterzettel: Fürst-Theater im k.k. Prater, Donnerstag den 30. Juli 1885: „Der Zerrissene“, Anfang 7 Uhr

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Reisegedicht

Brief in Form eines Gedichts aus Wien, Freitag früh 
(ohne Datum)

 

Transkription

Wien, Freitag früh.

Lieben Kinder, 

Morgen Abend 9.18 hoffe ich wieder daheim zu sein.

Wollt Ihr mich holen, wird es freu’n mich sehr.

Bringt Ihr ’nen Wagen mit, noch viel mehr.

Bestellt Ihr dann ein Bad, mich Sonntags abzuspülen,

So werd’ ich völlig heimisch wieder dann mich fühlen.

Euer tr. V.

Transkription

Düsseldorf 26 Aug. 1890

Meine herzliebe Frau.

Bei meiner Rückkehr von Oberhausen gestern Abend fand ich zu meiner großen Freude Deinen lieben Brief.

Geh nur ja nach Obergruna, wenn das Wetter gut ist; es lässt sich bei so wiederholten Einladungen doch wohl kaum bezweifeln, dass es ihnen Ernst ist. Wegen des Fahrpreises kannst Du ja fragen lassen, ob es billiger sei, wenn er zwei Male fährt oder wenn er auf Euch wartet.

An Herrn Elmenhorst könnte Elisabeth eine Karte schreiben (mit extra aufgeklebter 5 Pf. Marke) dass ihr Vater sich draußen im Reiche umhertriebe und erst in einigen Wochen zurückkehre. Es wird sich um ein Gutachten handeln. 

Ich bin hier so gut aufgehoben und fühle mich, seitdem ich gemerkt habe, dass man keine besonderen Umstände meinetwegen macht, so behaglich, dass ich es mir nicht besser wünschen könnte. Ich bewohne zwei Zimmerchen mit der Aussicht auf den Schadowplatz; meiner Zimmerthür gegenüber befindet sich eine andere Thür – ich würde erröthen, müsste ich ihren Zweck deutlicher angeben. Ein eigener Hausschlüssel ist mir überantwortet worden; so kann ich kommen und gehen, wann ich will. Bin ich zur Essenszeit daheim, so bin ich Gast des Hauses; wenn nicht, so grämt man sich nicht und wartet auch nicht. So liebe ich es.

Heute muß ich nach Ruhrort und werde wiederum erst spät nach Hause kommen.

Vergesst bitte nicht die rechtzeitige Absendung der Hemden nach Rembach. Die vorige Woche mit ihrer großen Wärme, ihrem vielen Staube und ihren häufigen Einladungen zu Gastmählern hat mich viel Wäsche gekostet. Am Sonnabend musste ich zwei Male wechseln.

Hoffentlich seid Ihr im Wohnzimmer nun wieder in Ordnung. Ich denke viel an Euch.

Gott behüte Euch Alle. Mit tausend Grüßen an die Kinder

Dein treuer Mann.

Transkription

Düsseldorf Sonntag Vormittag.

Meine liebe Herzensfrau.

Heute kann ich Dir in größerer Muße über meine Thaten Bericht erstatten.

In Essen fand sich Herr Kinkebusch Abends pünktlich im Gasthofe ein, war aber kneiplustiger als ich geglaubt hatte. Am folgenden Tage wurde in Essen wiederum ein Festessen veranstaltet, an welchem außer Herrn Kinkebusch und einem anderen Herrn auch Herr Schilling sich betheiligte. Er ist ein liebenswürdiger Mann von schon 30 Jahren – wie alt man wird! – hat Frau und Kind, hat einen seiner Brüder ganz zu sich genommen, um ihn in Essen zur Schule zu schicken und hat augenblicklich Besuch von seiner Schwester Else.

Nach dem Essen war es Zeit für mich, nach Düsseldorf abzureisen, wo nun wiederum das Abendessen mit dem Vorstande des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute mich erwartete. Glücklicherweise kam ich etwas spät, so dass ich mit Anstand auf einige Gänge verzichten konnte. Im Übrigen habe ich mir in Dortmund eine Flasche Pepsinwein gekauft, von der ich vorkommenden Falls und, wie es scheint, mit gutem Erfolg Gebrauch mache.

Ich wurde hier wieder sehr freundlich aufgenommen, beim Essen mit einer Rede willkommen geheißen und meine Gegenrede, die ich als umsichtiger Mann im Voraus schon für alle Fälle mir ausgedacht hatte, wurde gut aufgenommen. Als die auswärtigen Gäste abgereist waren, gingen wir Düsseldorfer noch in den Malkasten und schoben im Kegelschub, der mit ähnlichen Wandgemälden als die Osteria in Berlin ausgestattet ist, bis 1 Uhr Kegel.

Her Schroedter ist unverheirathet und bewohnt mit seiner Mutter ein niedliches Häuschen mit Garten.

Soeben unterbrach mich Herr Siegfried Stein aus Bonn, welcher gekommen war, um sich zu erkundigen, wann ich ihn besuchen werde. Da ich Freitags nochmals nach Essen muss, um das Kruppsche Werk zu besuchen (gestern besuchte ich ein anderes Werk) hat sich mein Reiseplan um einen Tag weiter hinausgerückt und ich fahre erst Sonnabend von hier ab.

Dein in Essen vorgefundener Brief war mir eine große Freude. Soeben kaum auch E.s Brief an. Über die Engländerinnen kann ich eigentlich nicht viel sagen; es fehlt mir hier die Ruhe, es gründlich zu erwägen. Ob die Dame aus Chemnitz eine echte oder eine Chemnitzer Engländerin ist, habe ich aus dem schwer lesbaren Briefe nicht entziffern können; letzteres würde in mancher Beziehung ganz gut sein, nur fragt es sich, ob sie die Sprache dann auch genügend beherrscht. Die vorgeschlagene mündliche Unterredung würde wohl Aufschluss geben können. Von der anderen würden jedenfalls erst Referenzen verlangt werden müssen. Sie sieht etwas impertinent aus; doch das täuscht ja oft.

Draußen regnet es tüchtig. Ich werde ausgehen, ein Bad zu nehmen; Nachmittags wollen wir, wenn das Wetter nicht zu schlecht ist, einen Ausflug machen.

Leb herzlich wohl, mein Schatz. Ich denke, dass ich dir für heute alles Wissenswerthe mitgetheilt habe. Grüße die Kinder Gott schenke uns ein fröhliches Wiedersehen.

Dein treuer Mann.

Transkription

Speyer 7 Sept. 1890.

Meine liebe Herzensfrau und liebe Kinder.

Gestern Abend von Saarbrücken und Neunkirchen hier eintreffend fand ich E.‘s beide Briefe vor. Nachdem ich nun die Angelegenheit mit den Engländerinnen beschlafen und auch im Wachen gründlich erwogen habe (wozu mir gerade hier glücklicherweise die nöthige Muße und Ruhe gegeben ist, was bisher selten der Fall war), schrieb ich soeben an den Vater Still den im Entwurfe beiliegenden Brief, und ich hoffe, dass Ihr mit dem Inhalte einverstanden seid. So verlockend auch die von der Anderen gebotenen 1000 M. sind, so sagte ich mir doch mit voller Bestimmtheit, dass diese nicht nur keinen Unterricht ertheilen sondern schon nach 4 Wochen keine Silbe Englisch mehr sprechen werde, uns also nur zur Last fallen würde. Die oftmals von mir erwähnte Cissel in meiner Eltern Hause, welche im Übrigen an Anspruchslosigkeit unter ihren Landsleuten wohl schwer ihres Gleichen finden würde, machte es genau so; so bald sie nur ein wenig Deutsch radebrechen konnte, hörte sie auf englisch zu sprechen, und erklärte mir rundweg, sie sei nicht nach Deutschland gekommen, englisch zu sprechen, sondern Deutsch zu lernen, und kein englisches Wort kam wieder aus ihrem großen Munde. Meine Hoffnung, viel von ihr zu lernen, war vergeblich.

Gott gebe also seinen Segen zu unserm Entschlusse!

Den Brief an Herrn Still hebt auf; es ist eine Urkunde, die man nicht vernichten darf. E. wird mir es hoffentlich nicht übel nehmen, dass ich das Ende ihres Briefes an mich dazu benutzte; mein Briefpapier ist zu Ende gegangen.

An Gerhard werde ich ebenfalls noch schreiben. 

Eure Fahrt nach Obergruna scheint nicht zu Eurer Befriedigung verlaufen zu sein, denn sonst hätte E. wohl eine Andeutung darüber gemacht. Ich hatte mich so sehr über Euren Entschluss, dorthin zu fahren, gefreut.

Mit Verwunderung lese ich von den Überschwemmungen in Böhmen und Dresden. Auf meiner ganzen Reise habe ich bislang nur 2 Regentage (in Düsseldorf) gehabt, sonst stets ein Wetter, wie es zur Reise nicht besser zu wünschen ist.

Heute Abend gedenke ich in Heidelberg zu sein; Montag Abend Frankfurt (Hotel Ernst), Dienstag Abend Weimar (Hotel zum Erbprinzen / Briefe also nicht an Voigt); Mittwoch Abend in Leipzig (Hotel zum Dresdener Bahnhofe); Donnerstag Abend 7 Uhr 7 M. in Freiberg (Hotel zur guten Herzens Mutter).

Speier ist ebenso wie Trier ein ziemlich kleinstädtischer Ort. Freiberg ist Weltstadt dagegen. In ganz Trier konnte ich keine anständige Schachtel mit Schokoladensachen für die jungen … auftreiben; und in Metz reichte mein Französisch nicht aus, um genau zu sagen, was ich wollte. Des espices wäre in den Schachteln – was ist des espices? Möglicherweise Brandts Schweizerpillen; und da wäre ich doch übel angekommen. So haben die Kinder ihr Geschenk noch gut; und das hat auch etwas für sich.

Lebe wohl, mein Herzensschätze; Gott schenke uns ein fröhliches Wiedersehen.

Euer treuer Mann u. Vater.

Für Erler habe ich [in] Metz eine Cigarrenspitze gekauft.