Das Projekt „Resonante Röntgendiffraktion unter optimierter destruktiver Interferenz zur hochsensitiven Bestimmung phasenaufgelöster lagespezifischer Atomverrückungen in kristallinen Materialien“ (REXSuppress) wurde von Dezember 2016 bis November 2019 am Institut für Experimentelle Physik von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) gefördert. Das Projekt basiert auf dem neuartigen Ansatz Resonantly Suppressed Diffraction (RSD), mit welchem kleinste Abweichungen der Atompositionen von der Idealstruktur auf Pikometer-Genauigkeit quantifiziert werden können. Wie bei allen resonanten Techniken wird das lokale elektronische System einer atomaren Spezies resonant durch gezielt gewählte Wellenlängen des Röntgenspektrums angeregt. Das Besondere der RSD ist der Fokus auf ein Intensitätsminimum nahe der Absorptionskante eines Bragg-Reflexes, welches durch destruktive Interferenz hervorgerufen wird. Dieses Intensitätsminimum ist hochsensitiv auf kleinste Abweichungen der atomaren Ordnung. Somit bietet die RSD-Methode einen innovativen Ansatz für die Charakterisierung von dynamischen Prozessen und Phasenumwandlungen, auch unter dem Einfluss externer Parameter wie Temperatur, mechanischer Spannung sowie elektrischen oder magnetischen Feldern.
Methodisch stellt RSD eine Kombination von Röntgenspektroskopie und -diffraktometrie auf Basis resonanter Effekte dar und ist in den Bereich des Resonant Elastic X-Ray Scattering (REXS) einzuordnen. Experimente zu dieser Methode können nur an Synchrotronstrahlungsquellen durchgeführt werden.
Der innovative Ansatz eignet sich für Fragestellungen aus der chemischen Kristallographie, aber auch aus den Material-, Geo-, Bio- und Umweltwissenschaften. RSD bietet weiterhin auch eine einzigartige Möglichkeit zur Untersuchung von Defekten in kristallinen Festkörpern. Diese Defekte und ihre kristalline Nahordnung bestimmen eine Vielzahl technisch relevanter Eigenschaften. Genaue Kenntnisse und eine exakte Vermessung der Defekte tragen maßgeblich zu einem besseren Verständnis der Materialien bei und können durch gezielte Modifikation (Defect Engineering) bestehende Eigenschaften optimieren oder neue hervorrufen. Somit hat die RSD-Methode auch im Bereich der Halbleiterindustrie, insbesondere bei der Datenspeicherung, sowie der elektrochemischen Energiespeicherung eine außerordentliche Bedeutung. Der Ansatz wurde von Dr. Carsten Richter im Zuge seiner Doktorarbeit entwickelt und erfolgreich zur strukturellen Aufklärung der Migrations-induzierten Feld-stabilisierten polaren (MFP) Phase in Strontiumtitanat SrTiO3 angewendet (siehe Abbildung). Er konnte im renommierten Wissenschaftsjournal Nature Communications veröffentlicht werden [1]. Mithilfe der RSD-Methode konnte erstmals die Struktur der ferroelektrischen Phase von YMn2O5, die bei Temperaturen unter 40 K auftritt, präzise bestimmt werden. Diese Arbeit ermöglichte zudem eine Aufklärung des Ursprungs der Ferroelektrizität, der auf minimale strukturelle Verschiebungen während des Phasenübergangs zurückzuführen ist [2].
- C. Richter, M. Zschornak, D. Novikov, E. Mehner, M. Nentwich, J. Hanzig, S. Gorfman, D. C. Meyer
Picometer polar atomic displacements in strontium titanate determined by resonant X-ray diffraction
Nature Communications 9 (2018) 178
- T. Weigel, C. Richter, M. Nentwich, E. Mehner, V. Garbe, L. Bouchenoire, D. Novikov, D. C. Meyer, M. Zschornak
Picometer atomic displacements behind ferroelectricity in the commensurate low-temperature phase in multiferroic YMn2O5
Physical Review B 109 (2024) 054101