Ukrainische und deutsche Lehrende entwerfen gemeinsame Module – und profitieren voneinander: EdUp heißt ein Format der TUBAF, das Lehrende verschiedener internationaler Unis zusammenbringt. Der Fokus in dem seit November 2023 laufenden Erasmus+-Projekt liegt auf der Zusammenarbeit mit ukrainischen Hochschulen. Im Teacher Twin „Exploring Mineral Collections in the Digital Space“ waren gerade zwei Forscherinnen der Nationalen Technischen Universität Dnipro in Freiberg zu Gast. Dr. Yevheniia Dementieva und Yelyzaveta Bodriaho hatten einen Teil der Sammlung ihrer Universität im Gepäck und erstellten an den petrographischen Scannern im ScienceLab der UB Freiberg Digitalisate dieser Objekte. Mit den Digitalisaten sollen ihre Studierenden an der DniproTech in Zukunft arbeiten. Eine der Ansprechpartnerinnen an der TUBAF ist Anja Weber, Doktorandin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Mineralogie, Lena Bussmann Fuentes koordiniert die Teacher Twins im Projektbüro TUBAFdigital.
Frau Dr. Dementieva, Frau Bodriaho, wir treffen Sie beide im ScienceLab. Woran arbeiten Sie gerade?
Yevheniia Dementieva: Wir scannen gerade einen Teil der Dünnschliffsammlung der TUBAF. Wir haben die ukrainischen Proben bereits abgeschlossen. Jetzt digitalisieren wir einen kleinen Teil der Sammlung der TUBAF, damit wir sie unseren Studierenden zeigen und ihnen daran die petrographischen Merkmale der Sammlung aus Deutschland erklären können.
Sie arbeiten gemeinsam an einem Lehrkooperations-Programm. Was genau ist ein „Teacher Twin“, Frau Bussmann Fuentes?
Lena Bussmann Fuentes: Man könnte es auch als Co-Teaching-Projekt bezeichnen. Die Grundidee ist, dass Lehrende aus unterschiedlichen Universitäten – teils aus ähnlichen Fachbereichen, teils interdisziplinär – gemeinsam Lehrmaterialien oder ganze Kurse entwickeln.
Wir sehen hier bereits digitalisiertes Material. Welche Rolle spielt dieses Material im Kurs?
Anja Weber: Gerade bei Dünnschliffen und Erzanschliffen ist die Digitalisierung sehr wichtig. So können die Studierenden die Proben analysieren, ohne direkt vor dem Mikroskop zu sitzen. Die Digitalisierung ist auch ein Schritt zur Nachhaltigkeit, weil diese empfindlichen Objekte auf Dauer erhalten bleiben. Wenn die umfangreichen Sammlungen digitalisiert sind, können sie online zugänglich gemacht werden. So erreicht man ein breites Publikum und schützt die Originale vor Beschädigung oder Verlust.
Lehre unter Kriegsbedingungen
Frau Bodriaho, Frau Dementieva, wie läuft der Lehrbetrieb aktuell an Ihrer Universität in der Ukraine seit dem russischen Angriff? Gibt es so etwas wie Normalität?
Yevheniia Dementieva: In Städten, die sicherer sind, findet der Unterricht vor Ort statt. An unserer Universität unterrichten wir teils online, teils offline.
Wenn Luftangriffe stattfinden, haben wir Schutzräume im Keller – unsere Universität wurde 1899 gegründet und hat stabile Keller. Dort führen wir den Unterricht fort. Außerdem haben wir eine Online-Plattform – Moodle –, auf der sich die Studierenden Lehrmaterial und Vorlesungen ansehen können. Es ist schwer, aber nichts ist unmöglich für Ukrainer – wir sind stark.
Yelyzaveta Bodriaho: Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 haben ukrainische Studierende bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit bewiesen. Die TUBAF war eine der ersten Universitäten, die ukrainische Forschende aktiv unterstützte. Wir sind der TUBAF für die Unterstützung ukrainischer Lehrender und Forschender zutiefst dankbar und möchten uns auch bei der Rektorin herzlich bedanken. Dies gilt insbesondere für das EdUp-Projekt, das die im Rahmen des SUUUpoRT-Programms begonnene langjährige Zusammenarbeit fortsetzt.
Yevheniia Dementieva: Dieses Projekt bedeutet uns viel, weil es zeigt, dass wir nicht allein sind. Es ist eine großartige Gelegenheit für langfristige Zusammenarbeit. Das digitalisierte Material hilft uns, Online-Vorlesungen für Studierende zu gestalten, die nicht persönlich an die Universität kommen können. Wir planen zudem einen Atlas mit unseren Proben. Das wird eine große Hilfe für die Lehre.
In Kriegszeiten ist es sicher schwierig, eine Sammlung wie diese zu nutzen oder zu schützen. Können Sie die Labore derzeit verwenden?
Yevheniia Dementieva: Auch die Labore befinden sich teilweise im Keller, unsere empfindlichen Geräte sind dort sicher untergebracht. Wir arbeiten trotz des Krieges weiter.
Was sind die Vorteile für die Projektpartner in Deutschland?
Anja Weber: Durch die Zusammenarbeit mit den beiden Gastlehrenden haben wir viel gelernt. Die Proben, die sie mitgebracht haben, hatten andere Größen als unsere. Wir mussten überlegen, wie wir damit umgehen, und haben schließlich spezielle Probenhalter 3D-gedruckt. Damit können wir nun auch andere Sammlungen digitalisieren. Das ist sehr praktisch und erweitert unsere Möglichkeiten. Darum haben wir mit Professor Gerhard Heide und Dr. Christin Kehrer von der TUBAF, Professorin Maryna Ruzina von der DniproTech und anderen Kolleginnen und Kollegen besprochen, wie wir die Zusammenarbeit fortsetzen können.
Wird es auch gemeinsame Seminare mit deutschen und ukrainischen Studierenden geben?
Lena Bussmann Fuentes: Das ist möglich. In anderen Teacher-Twin-Projekten gab es solche gemeinsamen Seminare bereits.
Yevheniia Dementieva: Wir würden uns sehr freuen, unsere Studierenden in Laboren der TUBAF zu sehen. Wissenschaft kennt keine Grenzen.
Lena Bussmann Fuentes: Gerade wir in Europa sollten an einem Austausch über Ländergrenzen hinweg interessiert sein. Für deutsche wie ukrainische Studierende ist das eine tolle Möglichkeit, sich kennenzulernen, die andere Kultur und Lebenssituation kennenzulernen. Das wollen wir weiter fördern.
Anja Weber: Besonders am Institut für Mineralogie ist das Engagement groß. Hier möchte ich unbedingt Dr. Christin Kehrer von den Geowissenschaftlichen Sammlungen erwähnen, sie hat dem Ganzen viel Zeit gewidmet. Und Professor Heide, ohne sein Engagement wäre hier vieles nicht möglich gewesen. Die zwei Wochen waren eine großartige Erfahrung, und wir möchten das gern fortsetzen.
Das EdUp-Projekt endet bald. Gibt es eine Zukunftsperspektive für weitere Teacher Twinning-Projekte?
Lena Bussmann Fuentes: Ja, wir haben bereits mehrere Folgeanträge eingereicht und weitere Ideen in Planung. Derzeit ist die weitere Finanzierung noch unklar, aber wir sind mit unseren Partnern – auch neuen – in engem Kontakt. Das Interesse, das Konzept fortzuführen, ist groß.
Austausch von Fachwissen
Das Projekt ist dann vielleicht auch ein Impuls für andere Kooperationen im Rahmen von EdUp?
Lena Bussmann Fuentes: Ja, auf jeden Fall. Die TUBAF hat stark von dieser Zusammenarbeit profitiert – auch auf individueller Ebene. Wir konnten rund zehn solcher Projekte organisieren, die zu innovativen Lehrmaterialien und Ansätzen geführt haben. Solche internationalen Kooperationen bringen neue Impulse und Inspiration. Wir freuen uns sehr, dass viele ukrainische Partner bereit waren, mit uns zu arbeiten. Ziel ist nicht nur der Austausch von Inspirationen, sondern auch von Fachwissen – zwei Expertinnen oder Experten aus unterschiedlichen Ländern können sehr viel voneinander lernen.
Wird das Material künftig auch TUBAF-Studierende erreichen? Soll es online abrufbar sein?
Anja Weber: Ja, das ist geplant. Wir entwickeln einen kleinen Kurs, für den TUBAF-Studierende Leistungspunkte erhalten können. Dabei wird sowohl Material aus der Ukraine als auch von der TUBAF genutzt – und umgekehrt. Es ist als langfristige Kooperation gedacht.
Die Anschaffung der petrographischen Spezialscanner in der Universitätsbibliothek Freiberg wurden durch Investitionsmittel des Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWKT) ermöglicht. Der Axioscan 7 für Dünnschliffe und Axio Imager für Anschliffe stehen im ScienceLab der Bibliothek. Neben der Universitätsbibliothek engagiert sich die Professur für Allgemeine und Angewandte Mineralogie der TUBAF für die Nutzung der seltenen Spezialgeräte, die jetzt für auch für dieses EdUp verwendet werden. Dazu Professor Gerhard Heide: „Ich sehe in der Zusammenarbeit mit der Partneruniversität Dnipro Tech im Bereich des Maschinellen Lernens ein sehr großes Potential. Die IT-Kenntnisse sind in den Fachdisziplinen viel stärker entwickelt und wir ergänzen uns ideal. Mich beeindruckt das Selbstverständnis des Lehrens und des Lernens mit Objekten, das hat uns sofort verbunden.“