Gefördert von der Audi Stiftung für Umwelt erforscht der Team der TU Bergakademie Freiberg neue Wege für die Rückgewinnung von Rohstoffen durch Recycling. Elemente wie Indium, Gallium oder auch Zinn sind begrenzt – und für moderne Technologien wie Glasfaser, Photovoltaik oder Halbleiter unerlässlich. Jedes elektronische Gerät besteht aus Bauteilen, die diese Elemente enthalten. Mittels selektiver Extraktion sollen diese Rohstoffe aus verbranntem Abfall zurückgewonnen werden. Aktuell gehen sie verloren, wenn die Elektrokomponenten unsachgemäß über den Hausmüll entsorgt werden. Das neue Verfahren soll diese wertvollen Technologiemetalle im Kreislauf erhalten.
Pressemitteilung der Audi Stiftung für Umwelt
Im Jahr 2019 wurden in Deutschland rund 16 Tonnen Primärrohstoffe pro Kopf verbraucht.1 Dazu zählen alle Rohstoffe, die aus der Natur gewonnen werden, neben Biomasse und fossilen Energieträgern auch Metallerze von Eisen, Kupfer, Blei oder Zink. Letztere müssen derzeit fast vollständig zur Verarbeitung nach Deutschland importiert werden. Doch metallische Rohstoffe sind in ihrem Vorkommen endlich – und teilweise selten oder nur sehr verstreut auffindbar. Die Erze enthalten zudem noch große Mengen an blindem Gestein. Das bedeutet, dass die Metalle nicht in Reinform vorliegen, sondern in aufwändigen chemisch-thermischen Verfahren herausgelöst werden müssen, bevor man sie verarbeiten kann. Dennoch sind sie für viele Zukunftstechnologien essenziell, darunter auch für die Elektromobilität, Telekommunikation und Photovoltaik. Bis 2030 wird die Nachfrage nach ihnen weltweit steigen, prognostiziert unter anderem der Weltressourcenrat der Vereinten Nationen. Denn der Bedarf an Rohstoffen, Metallen und den daraus hergestellten Halbleitern wächst mit der zunehmenden Anzahl elektrischer Geräte im Umlauf: Deren Steuerungselektronik besteht aus maßgeschneiderten Halbleiterbauelementen, die wiederum nicht ohne seltene Elemente ihre Leistungsfähigkeit erreichen können.
Dennoch gehen diese seltenen, wichtigen Elemente oftmals unbeabsichtigt verloren. Viele Menschen entsorgen elektrische Kleingeräte wie etwa Taschenlampen, USB-Sticks, Ladestecker und Kabel oder selbst Handys fälschlicherweise über den Hausmüll statt über Elektroschrottsammelstellen. Der Hausmüll wird in Deutschland in der Regel thermisch verwertet, also verbrannt. Die wertvollen Rohstoffe werden dabei noch nicht effektiv und industriereif zurückgewonnen, sondern verbleiben in der Schlacke oder Flugasche. Diese wiederum wird deponiert, wodurch auch die technologisch interessanten Elemente aus dem Kreislauf fallen und so für eine weitere Nutzung verloren sind. Hier setzt ein Forschungsprojekt zur selektiven Extraktion von Indium, Gallium und Zinn an, das die Audi Stiftung für Umwelt fördert. Die Metalle aus Flugasche oder Schlacke, die bei der Verbrennung des Hausmülls übrig bleiben, sollen gewonnen und später in neuen Produkten eingesetzt werden können. Durch Wiederverwertung und Recycling müssen die Rohstoffe nicht neu aus der Erde gewonnen werden, wodurch die Umweltauswirkungen des Bergbaus und die Emissionen internationaler Handelsströme mit Erzen und Halbzeugen (= Rohstoffäquivalente) reduziert werden können.
Maßgeschneiderte Pinzettenköpfe für Metallionen
Das Recyclingverfahren fußt auf der Methode der selektiven Extraktion und wird derzeit von der Doktorandin der Chemie Betty Leibiger an der TU Bergakademie Freiberg im Labor entwickelt. „Die Herausforderung besteht darin, Moleküle herzustellen, die gezielt die gewünschten Metallionen binden“, erklärt Leibiger. Vereinfacht gesagt, muss eine speziell geformte „Pinzette“ entwickelt werden, die nur ganz bestimmte Metallionen aus einer Flugaschelösung herauspickt und so eine Abtrennung ermöglicht. Jeder maßgeschneiderte „Pinzettenkopf“ – in der Fachsprache Ligand genannt – passt nur zu genau einem Metallion, etwa Indium. „Danach bringen wir die Pinzette mit einer Säure dazu, die Ionen wieder loszulassen“, erklärt Leibiger. So lassen sich Schritt für Schritt die einzelnen Metallionen aus der Mischung abtrennen und in eine technologisch nutzbare Reinheit bringen.
„Zum jetzigen Zeitpunkt des Projektes liegt der Fokus auf der Entwicklung vieler passender Pinzettenköpfe, die anschließend im kleinen Maßstab getestet und weiter optimiert werden“, sagt Leibiger. Einmal optimiert, ließe sich der Prozess skalieren. In einem weiteren Schritt sollen Extraktionsexperimente mit realer Flugasche beziehungsweise Laugungslösungen aus der Aufarbeitung der Flugasche folgen.
Bewusster Umgang mit Ressourcen
Das Projekt und die dazugehörige Doktorarbeit sind auf insgesamt drei Jahre angelegt und werden von der Audi Stiftung für Umwelt zunächst bis ins kommende Jahr gefördert. „Rohstoffe sind nur in begrenzten Mengen verfügbar. Deshalb sind Möglichkeiten zu ihrem Erhalt umso wichtiger – insbesondere in großen Mengen, die für die Wirtschaft interessant sind. Das Verfahren ist nicht nur ein weiterer wissenschaftlicher Beitrag zur Etablierung von Ressourcenkreisläufen, es verknüpft auch ganz im Sinne unseres Greenovation-Ansatzes traditionellen Umweltschutz mit innovativen Technologien“, sagt Rüdiger Recknagel, Geschäftsführer der Audi Stiftung für Umwelt. Ziel sei es außerdem, über einen umweltbewussten Umgang mit Rohstoffen aufzuklären.