Er hat schon so viele Jahre auf der Lehne und durfte auf seine alten Tage noch eine Reise antreten: der Arbeitsstuhl von Clemens Winkler. In der Woche vor Weihnachten brachte Lars Pickhardt, Chef der beauftragten Lederrestaurierungsfirma den Stuhl zurück nach Freiberg, an die TUBAF, wo er von Kanzler Jens Then und Professor Edwin Kroke, dem Verantwortlichen für die Winkler-Sammlung, in Empfang genommen wurde. „Wir freuen uns sehr über das Resultat und danken herzlich dem Lederzentrum, das diese handwerkliche Leistung als Spende zur Verfügung gestellt hat“, erklärt Jens Then, „und weiterhin dem FILK für die freundliche Vermittlung an die Fachleute.“
Als die Restaurateure den Clemens-Winkler-Stuhl im Sommer 2023 in Freiberg abholten, sah es zunächst so aus, als müsste in erster Linie die Sitzfläche bearbeitet werden. Hier war das Leder vor allem an den Rändern brüchig geworden. Außerdem sollte das wackelige Holzgestell des Stuhls neu verleimt werden. In der Göttinger Werkstatt des „Lederzentrums“ zeigte sich aber schon bald, dass hier die Expertise weiterer Gewerke vonnöten sein würde. Denn unter der Sitzfläche befand sich nicht mehr das im 19. Jahrhundert übliche Korbgeflecht nebst Rosshaarfüllung. Jens Then und Edwin Kroke von der TUBAF waren sich mit Lars Pickhardt einig: Das Ziel war ein originalgetreuer Neuaufbau der Polsterung, und danach die behutsame Restaurierung der Ledersitzauflage.
Kleine Deutschlandfahrt
Und so trat der alte Stuhl eine Reise durch Handwerksbetriebe in Deutschland an: von Göttingen ins hessische Bad Soden Allendorf zum Korbmacher, dann weiter nach Moringen zum Sattler, der die langlebige Polsterung aus Jute und Rosshaar erneuerte. Nun durfte der Stuhl zurück ins Göttinger Lederzentrum. Hier sollte der Sitz detailgetreu restauriert werden. Keine alltägliche Aufgabe, wie Lars Pickhard erklärt: „Meistens haben wir es mit glatten Strukturen zu tun. Das Leder des Clemens-Winkler-Stuhls weist aber Höhen und Tiefen auf.“ Feinziseliertes Eichengeäst rankt über Sitz und Lehne, ist durchzogen von feinen Vergoldungen. In Göttingen verstärkte Lederexperte Tobias Hundeshagen die empfindlichen Stellen von der Rückseite und reinigte die Oberfläche. Am Ende steht nun ein behutsam restaurierter Stuhl – gebrauchsfertig und stabil, so als hätte Clemens Winkler eben noch darauf gesessen.
Aber die Reise ist noch nicht zu Ende
Vorerst wird der Stuhl im Zimmer des Kanzlers bleiben. „Aber nur so lange, bis die Baumaßnahmen im Clemens-Winkler-Bau noch andauern. Danach soll der Stuhl im Rahmen der Clemens-Winkler-Sammlung zu sehen sein“, so Jens Then. Der Stuhl ist eine Schenkung der mit der Universität verbundenen Familie Borrmann, welche vom Verein Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg vorbereitet wurde.
Über Clemens Winkler
Clemens Winkler wurde am 26. Dezember 1838 in Freiberg geboren und war als Chemiker eine der wichtigsten Persönlichkeiten der TU Bergakademie Freiberg: Er entdeckte das Element Germanium. Am 8. Oktober 1904 starb er in Dresden. Seine umfangreiche Sammlung anorganisch-chemischer Objekte wird bis heute in der universitären Lehre verwendet. Aktuell wird die Sammlung digitalisiert.