Im Rahmen des Physikalischen Kolloquiums gab Dr. Carsten Richter vom Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ) in Berlin, Sektion Experimentelle Charakterisierung, einen Fachvortrag mit dem Titel „Bildgebende Röntgenbeugung an Gitterdefekten und Dehnungen“. Er folgte damit einer Einladung von Tilmann Leisegang. In seinem Vortrag präsentierte er neueste Entwicklungen und Techniken der Röntgenmikroskopie mit Synchrotronstrahlung zur Charakterisierung von Kristallgitterdefekten und -dehnungen in kristallinen Materialien.

Passenderweise fiel der Vortrag von Carsten Richter auf den Geburtstag des theoretischen Physikers und Nobelpreisträgers von 1965 Julian Seymour Schwinger (12. Februar 1918 – 16. Juli 1994). Dessen Arbeiten legten Grundlagen für die Streutheorie, die bekannte Lippmann-Schwinger-Gleichung, und für die genaue Vorhersage der Eigenschaften der Sychrotronstrahlung.
Hochauflösende Einblicke in kristalline Strukturen
Während die konventionelle Röntgenbeugung präzise gemittelte Informationen über Dehnungen und Defektdichten liefert, sind ihre räumliche Auflösung und Selektivität begrenzt. Fortschritte bei Synchrotronstrahlungsquellen, Röntgenoptiken und Instrumentierungen ermöglichen mittlerweile hochauflösende Röntgenmikroskopietechniken, die diese Einschränkungen überwinden. Carsten Richter stellte die neuesten Konzepte und das Potenzial der Röntgenbeugungsbildgebung vor, die eine zerstörungsfreie Untersuchung von Kristallgitterdefekten und mechanischen Spannungen bis hinunter zur Nanometerskala erlauben.
Bedeutung für Materialwissenschaft und Halbleitertechnologie
Defekte und Dehnungen haben einen erheblichen Einfluss auf die Eigenschaften kristalliner Materialien und sind daher für die Materialwissenschaft und Materialentwicklung von zentraler Bedeutung. Beim sogenannten Strain-Engineering wird der Spannungszustand gezielt beeinflusst, um Materialeigenschaften für spezifische Anwendungen anzupassen, etwa in der Elektronik, Beleuchtungstechnik oder Photovoltaik. Gleichzeitig können Gitterdefekte zu lokalen Dehnungsschwankungen führen, die die Leistungsfähigkeit von Halbleiterbauelementen beeinträchtigen. Anhand von Aluminiumnitrid-Einkristallen, Indium-Gallium-Nitrid-Epitaxieschichten und Germanium-Halbleiterbauelementen veranschaulichte Dr. Richter eindrucksvoll den Einfluss dieser Defekte und deren Analyse mittels Röntgenmikroskopie.
Ausblick und Zukunftsperspektiven
Ein besonderer Vorteil der Röntgenbeugung liegt in der Möglichkeit, vergrabene Schichten, in-operando arbeitende Bauteile oder Proben in komplexen Umgebungen detailliert zu untersuchen. Vor dem Hintergrund der jüngsten Upgrades von Synchrotronstrahlungsquellen gab Carsten Richter zudem einen Ausblick zu den Zukunftsperspektiven der Röntgenmikroskopie. Auf die Frage nach zukunftsträchtigen Halbleitermaterialien nannte er insbesondere Aluminiumnitrid und Galliumoxid als besonders vielversprechend.
Das Leibniz-Institut für Kristallzüchtung in Berlin-Adlershof ist ein international renommiertes Kompetenzzentrum für Wissenschaft, Technologie und den Transfer von Erkenntnissen im Bereich kristalliner Materialien. Das Forschungs- und Entwicklungsspektrum des Instituts erstreckt sich von Grundlagenforschung bis hin zu anwendungsorientierten und vorindustriellen Forschungsaufgaben.
Wir danken Dr. Carsten Richter herzlich für seinen Besuch.