Studentinnen und Studenten der Studiengänge Geoökologie, Geoinformatik und Geophysik sowie der Computational Material Science erstellen aktuell einen Prototyp zur Erfassung von Biodiversitätsindikatoren. Der fotografisch arbeitende, KI-basierte Lösungsansatz liefert im Gegensatz zu manuellen Zählungen, die lediglich einen kleinen Ausschnitt der Biodiversität aufzeigen, großskalige Aussagen zur lokalen Artenvielfalt. Auch der Tod der gefährdeten Insekten zu Forschungszwecken kann vermieden werden.
Anlass der Forschung ist der dramatische Rückgang der Artenvielfalt als Folge des Klimawandels und der extensiven Landnutzung durch den Menschen. Die systematische Erfassung der vorhandenen Insektenpopulationen stellt eine wichtige Grundlage zur dringend notwendigen Entwicklung von Gegenmaßnahmen dar. Gleichzeitig fordert diese komplexe Aufgabe ein fachübergreifendes Arbeiten. Im techno-ökologischen Projekt-Modul wirken die verschiedenen Fachdisziplinen wie Geoökologie, Biologie, Informatik, Mess- und Sensortechnik synergetisch zusammen und erforschen interdisziplinäre Lösungen zur Entwicklung, Modellierung und Erfassung.
Für den Prototyp kombinieren die Teilnehmenden zwei verschiedene Messmethoden: Eine klassische Malaise-Falle mit Kameraaufsatz sowie eine Farbschablone mit einem eigenen kamerabasierten Erfassungssystem. Alle technischen Elemente wurden selbst entwickelt und mit Unterstützung des Instituts für Informatik installiert. An zwei Messtagen erstellten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer 11388 Bilder. Neben dem Borstigen Blattrandrüssler oder der Wiesenschaum-Zikade konnten sie damit insgesamt 1472 Insekten aus verschiedenen Familien nachweisen. Mittels unsupervised Learning-Ansatz – ein Verfahren des maschinellen Lernens, welches eine Klassifizierung ohne annotierten Datensatz ermöglicht – analysieren sie den Insekten-Bestand und bereiten die Daten für eine detailliertere Klassifikation vor.
„Das studentische Forschungsprojekt zum Insektenvorkommen am stellvertretenden Untersuchungsobjekt TUBAF-Campus erörtert in dieser Hinsicht sowohl technisch-methodische als auch geoökologische Fragestellungen und zielt auf eine langfristige Implementierung des Prototyps“, erklärt Juniorprofessor Maximilian Lau. „Weitere Schwerpunkte bilden die Herausforderungen zur Standortauswahl, zur Klassifizierung der einzelnen Arten und zur Systemkonfigurierung.“ Letztere bezieht sich nicht nur auf das Fallensystem als solches, sondern gleichfalls auf das komplexe Erfassungssystem mit Kamera, Beleuchtung, eingebettetes Rechensystem und Bildverarbeitung.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit im Studium
Das betreuende Professorenteam aus den Fakultäten 1 (Mathematik und Informatik), 3 (Geowissenschaften, Geotechnik und Bergbau) sowie 4 (Maschinenbau, Verfahrens- und Energietechnik) unterstreicht den interdisziplinären Charakter des Moduls und lenkt die Studierenden aus den verschiedenen Fachrichtungen zum übergeordneten Lernziel. „Der entscheidende Moment ist immer die erste Veranstaltung“, erklärt Juniorprofessor Christian Kupsch, der die Veranstaltung koordinierte. „Hier zeigt sich, welche Kompetenzen im studentischen Team vorhanden sind und welche Spielräume sich daraus für die konkrete Aufgabenstellung ergeben.“
Im Sommersemester 2023 fand sich eine ausgewogene Gruppe aus Studierenden zusammen. In regelmäßigen Treffen lernten die Teilnehmenden aus den verschiedenen Fachdisziplinen sich erfolgreich in einem interdisziplinären Team zu koordinieren und meisterten anfängliche Startschwierigkeiten hinsichtlich der Interaktion und Koordination. Unterstützt durch das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Sachsen entwickelten sie im Ergebnis ein eigenes Konzept für die KI-basierte Erfassung der Biodiversität auf dem Campus.
Juniorprofessor Maximilian Lau bewertet das positive Resultat der vollständigen Entwicklung eines Prototyps als gute Ausgangsbasis und freut sich bereits jetzt, dass das Folgeprojekt im Sommersemester 2024 darauf aufbauen kann.