Wie kann die Feuerfestindustrie dekarbonisiert werden? Also: Wie können Prozesse, bei denen Stahl, Zement und Keramik hergestellt werden, klimafreundlicher werden? Gestern trafen sich Expertinnen und Experten zum 14. Freiberger Feuerfestforum, um sich dazu auszutauschen. Die Leitung des Freiberger Feuerfestforums hat Professor Christos Aneziris. Ihn haben wir im Vorfeld gefragt, warum Dekarbonisierung so wichtig für diesen Industriezweig geworden ist.
Im Gespräch: Professor Christos Aneziris
Warum ist in diesem Jahr die Dekarbonisierung das Thema des Feuerfestforums?
Es ist ein wichtiges Thema, weil unsere Industrien mit sehr hohen Temperaturen zu tun haben. Das bedeutet, wir brauchen viel Energie. Darüber hinaus haben wir auch in unseren Ausgangsrohstoffen eine Menge CO2, die freigesetzt wird. Das bedeutet, wenn wir von einer Dekarbonisierung sprechen, dann müssen wir die Elektrifizierung von Hochtemperaturprozessen angehen. Das bedeutet Plasmatechnologien, Mikrowellenplasmatechnologien, elektrische Heizer, Hochtemperaturheizer, für die Metallurgie, für die Chemie-, für die Zementindustrie. Das bedeutet ein breites Spektrum, weil alle Prozesse, die über 600 Grad Celsius bis 2000 Grad Celsius ablaufen, sehr wichtig für uns sind. Es geht hier um strategische Industrien für Deutschland, für Europa. Wir sind hier in diesem Freiberger Feuerfestforum, Industrieleute und Hochschulleute, und da versuchen wir den ganzen Bogen zu spannen von Wasserstoff, Ammoniak und den entsprechenden Werkstoffen, die gebraucht werden, also Hochtemperaturwerkstoffe, unsere Werkstoffe, die Feuerfestwerkstoffe, aber auch die Plasmatechnologien oder auch Hybridfeuerungstechnologien, also es kann sein, dass ich mit einem Plasmabrenner schalte und dann kommt die elektrische Leitung und anschließend der Wasserstoffbrenner. Es hängt ab, welche Atmosphären bringen den Mehrwert für die Endeigenschaften des Endproduktes. Weil wir mit den neuen Hybrid-Feuerungstechnologien nicht nur CO2 sparen können, wir können eventuell die Eigenschaften des neuen Endprodukts verbessern.
Was sind die alternativen Stoffe der Zukunft?
Wir sprechen nicht von Alternativen, sondern wir versuchen, prozesstechnisch die Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Das bedeutet höhere Effizienz, weniger CO2, und eine Multifunktionalität. Wir versuchen ständig, unsere Werkstoffe zu funktionalisieren. Es ist nicht mehr die einfache Keramik, sondern ein Hochtemperatur-Verbundwerkstoff oder Werkstoffverbund, die einen Prozess optimieren. Das bedeutet am Ende des Tages, ja wir machen hier bei uns in Freiberg nicht nur die klassische Keramik, sondern unter anderem die Hochzeit von Metall und Keramik, von refraktären Metallen und feuerfester Keramik, also refraktäre Verbundfeststoffe für den Energiewandel. Sie sprechen vom Auto, aber man vergisst, dass mindestens 10 Kilogramm feuerfest pro Tonne Rohstahl verbraucht wird. Man spricht vom Flugzeug oder von der Zementherstellung, und man vergisst, dass die feuerfesten Ausmauerungsmaterialien, die wie Blutgefäße diese Hochtemperaturprozesse mitgestalten, die Qualität und Effizienz der Endprodukte bestimmen, das sind unsere unsichtbaren, stillen Helden.
Wenn ich ans Auto denke, welche Teile haben mit der Feuerfestindutrie zu tun?
Wenn ich jetzt beim PKW bin, dort finden wir auch Keramik. Piezokeramik, Kondensatoren, Widerstände, allein in Ihrem Handy sind mehr als 30% Keramik, unabhängig von dem Glas, was die Folie oben ist. Keramik begleitet uns dabei ständig in unserem Leben, zu Hause, beim Reisen, am Arbeitsplatz. Keramik wird in einem Hochtemperaturprozess hergestellt, und diese Hochtemperaturprozesse nachhaltiger zu gestalten, das ist ein Schwerpunkt hier in Freiberg.
Wie ist der CO2-Fußabdruck dieser Industrie?
Wenn ich das vergleiche Stahlindustrie oder Zementindustrie: das ist eine andere Welt. Die Keramik ist deutlich kleiner als Bereich, aber die trägt nicht nur zur CO2-Generierung über ihren Herstellungsprozess; Funktionskeramiken als Energiewandler oder in Speichermaterialien oder als Hochtemperaturelektrodenmaterialien können essentiell zur Energietransformation beitragen. Wir versuchen damit u.a. die Hochtemperaturprozesse zu elektrifizieren, und nicht zu vergessen, wir versuchen, auch zu recyclen. Recycling bringt einen ganz wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduzierung. Unsere TU Bergakademie Freiberg ist eine Recyclinguniversität, eine Recyclingakademie. Am Beispiel des DFG Graduiertenkollegs 2802 werden grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse erarbeitet, die sowohl das Recycling, also Wiederverwendung in artgleichen Hochtemperaturwerkstoffen, als auch das Upcycling, also die stoffliche Aufwertung von feuerfesten Materialien in metallurgischen Prozessen ermöglichen.