In den tieferen Wasserschichten von Seen und Talsperren wird der Sauerstoff zunehmend knapp –verursacht durch hohe Nährstoffeinträge und den Klimawandel. In der Folge verschlechtern sich die Lebensbedingungen für Fische und Wirbellose, Treibhausgase werden vermehrt freigesetzt und Nährstoffkreisläufe intensiviert. Zudem kann sich der für höhere Organismen giftige Schwefelwasserstoff anreichern. Die Aufbereitung von sauerstofffreiem Tiefenwasser zu Trinkwasser ist mit hohen Kosten verbunden. Forscherinnen und Forscher der TU Bergakademie Freiberg und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben nun eine Berechnungsmethode entwickelt, mit der sich die ökologischen Folgen von Sauerstoffmangel für jeden See anhand weniger Kennwerte vorhersagen lassen.
Die Formel ist aus der Schule bekannt: Steigt die Temperatur, kann das Wasser weniger Sauerstoff aufnehmen. Sind viele Nährstoffe oder abbaubare Biomasse im Wasser, wird der wenige Sauerstoff durch den Stoffwechsel der Mikroorganismen schneller verbraucht. Hinzu kommt, dass der Klimawandel die Dauer und Stabilität der thermischen Schichtung von Seen erhöht, so dass die Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers immer länger unterbrochen ist.
„In Zeiten wärmerer Wassertemperaturen und eines schlechten ökologischen Zustands vieler Gewässer ist Sauerstoffmangel für viele Seen und kleine Stillgewässer ein Problem“, stellt Richard LaBrie fest. Er forscht an der TU Bergakademie Freiberg und ist Erstautor der Studie.
Sauerstoffmangel führt zur Bildung von Schadstoffen und zur Intensivierung von Stoffkreisläufen
Fische und Wirbellose reagieren empfindlich auf Sauerstoffmangel. Aber es gibt noch weitere negative Folgen: Sauerstoffarme Gewässer produzieren mehr Treibhausgase, darunter das besonders klimaschädliche Methan. Außerdem entstehen bei Sauerstoffmangel Schadstoffe wie Ammonium oder Gifte wie Methylquecksilber und sauerstoffempfindlicher Schwefelwasserstoff. Die Verfügbarkeit von Nährstoffen für das Pflanzenwachstum wird durch diese Veränderungen auf komplexe Weise beeinflusst.
„Um die Auswirkungen des Klimawandels auf Phosphor und Algenwachstum besser verstehen und vorhersagen zu können, werden zwar aktuell in einem deutschlandweiten Projekt Daten von möglichst vielen Seen einbezogen. Ein langfristiges Klimamonitoring ist jedoch teuer und kann daher nur für eine begrenzte Anzahl von Seen durchgeführt werden, so dass alternative Werkzeuge dringend benötigt werden“, sagt IGB-Forscher Michael Hupfer, Mitautor der Studie.
Anhand von Sauerstoffprofilen und Topographie lassen sich die Folgen von Anoxie abschätzen
Das Forschungsteam der TU Bergakademie Freiberg und des IGB hat nun eine einfach handhabbare Methode entwickelt, um die Folgen von Sauerstoffmangel auf das Tiefenwasser von Seen abschätzen zu können. Dazu nutzen die Forschenden zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Informationen über die Dauer der Anoxie. Das Team zeigt auch, dass sich diese Informationen relativ einfach aus wenigen Messungen und der Topographie des Gewässerbodens mit mathematischen Modellen berechnen lassen. Das Ausmaß der Stoffbildung und -freisetzung hängt dabei wesentlich von der Dauer des Sauerstoffmangels sowie der Verfügbarkeit und Art der Ausgangsstoffe ab.
„Daten zu Sauerstoffprofilen von Seen sind weltweit verfügbar oder leicht zu ermitteln. Unser Ansatz ist daher auch für andere Forschende und Behörden leicht anwendbar. Damit steht nun erstmals eine Methode zur Verfügung, um die ökologischen Folgen einer zeitlich und räumlich zunehmenden Anoxie in Seen mit unterschiedlicher Nährstoffverfügbarkeit vorherzusagen“, sagt Maximilian Lau, der als Juniorprofessor an der TU Bergakademie Freiberg und am IGB forscht und die Studie geleitet hat.