Zelluläre Tröpfchen funktionieren vielfältiger als bisher bekannt: Die Fähigkeit, Membranen in Zellen zu zerteilen wurde bisher allein bestimmten Proteinen zugeschrieben. Ein internationales Forschungsteam zeigt jetzt in einer neuen Publikation in der renommierten Fachzeitschrift Nature, dass kleine zelluläre Tröpfchen, sogenannte biomolekulare Kondensate, Membranen auch ohne die Hilfe von Proteinen aufteilen können. Simulationen des Mathematikers Prof. Sebastian Aland der TU Bergakademie Freiberg veranschaulichen, wie die Tröpfchen Kapillarkräfte auf Membranen ausüben. Diese Kräfte krümmen die Membran wobei das Tröpfchen eingeschlossen und schließlich abgespalten wird. Aus den Erkenntnissen könnten sich in Zukunft neue Möglichkeiten für medizinische Behandlungen ergeben, denn die biomolekularen Kondensate werden mit der Entstehung von Krankheiten, wie Alzheimer oder Krebs in Verbindung gebracht.
„Weil die Existenz der biomolekularen Kondensate erst seit gut einem Jahrzehnt bekannt ist, wissen wir noch wenig über ihre Funktionsweise“, sagt Professor Sebastian Aland von der TU Bergakademie Freiberg. Im Gegensatz zu anderen zellulären Bestandteilen, wie klassischen Organellen, besitzen Kondensate keine Membran. Sie bestehen aus verschiedenen Molekülen und bilden Tröpfchen mit flüssigkeitsähnlichen Eigenschaften, die für Stressreaktionen und die Weiterleitung von Signalen in Zellen wichtig sind.
Ein internationales Forschungsteam mit Forschenden aus Berlin, London, Peking, Tokyo, Hongkong und Freiberg untersuchte nun, wie genau diese Kondensate mit Zellmembranen interagieren. „Schließlich treffen die Tröpfchen in den Zellen häufig auf membrangebundene Strukturen und können sich an diese anlagern“, sagt Prof. Roland Knorr von der HU Berlin und Koautor der Studie. „Wie ein Wassertropfen auf einer Glasscheibe legt sich das Kondensat auf die Membran. Da Membranen im Gegensatz zu Glas sehr weich sind, können sich die Kondensate und die Membran gegenseitig verformen. Stimmen die physikalischen Bedingungen, kann das Tröpfchen von der Membran umschlossen und schließlich abgespalten werden.“ Bislang ging man davon aus, dass für den letzten Schritt in Zellen spezielle Proteine nötig seien.
Simulation erklärt Wirkung von Kapillarkräften
„Wir konnten aber nun zeigen, dass die Kondensate auch ohne spezielle Proteine Membranen teilen können, allein durch ihre Oberflächenspannung und die Einwirkung von Kapillarkräften“, so Aland. Dafür entwickelte der Mathematiker an der TU Bergakademie Freiberg eine neuartige Simulationstechnik, mit der er die Ergebnisse aus den Experimenten des internationalen Teams bestätigte und sichtbar machte. „Erst dank dieser weltweit ersten Simulationen kann bestätigt werden, dass auch der letzte Schritt der Membranabschnürung vom Tröpfchen allein bewältigt werden kann – und zwar in Bruchteilen von Sekunden.“
Prozess unter dem Mikroskop fast nicht zu erkennen
Der Mechanismus, den das Team in Experimenten mit der Pflanzenart Arabidopsis thaliana zuerst an lebenden und dann an künstlich erzeugten Zellen im Reagenzglas untersuchte, ist unter dem Mikroskop kaum zu erkennen. Erst die Simulation, die den Prozess ganz genau nachahmt, ermöglicht es zu verstehen, wie genau die Kondensate Membranen zerteilen. „Jetzt arbeiten wir an besseren Simulationen und möchten damit auch die Bedingungen verstehen, unter denen der Prozess abläuft. In der Biomedizin könnten so auch Störungen dieser Prozesse erklärt werden, die beispielweise mit Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs in Verbindung stehen.“