Ein Reinraumlabor für den Bereich Angewandte Physik hat die TU Bergakademie Freiberg schon – nun kommt ein zweites dazu. Das neue Reinraumlabor des Instituts für Mineralogie hat jedoch eine Besonderheit: Es ist metallfrei. Das bedeutet, dass Einrichtung und Geräte vollständig aus nicht-metallischem Material bestehen, notwendige Metallteile sind in Kunststoff gehüllt. Wäre nämlich offenes Metall im Raum, würden die hochsensiblen Analysen zur Datierung von Gestein verfälscht.
Als erstes Team ziehen Professorin Marion Tichomirowa und ihre Mitarbeitenden in das Labor ein. Gemeinsam mit Jun.-Prof. Maximilian Lau, Prof. Johannes Heitmann sowie Vertretern des Baudezernats der Universität (Ingolf Köhler, Eric Dalke) eröffnete die Mineralogin das neue metallfreie Reinraumlabor an der TUBAF am 16. April.
Mit der sogenannten Uran-Blei-Datierung können die Forschenden im metallfreien Reinraum das geologische Alter von Gesteinen sehr präzise bestimmen. Prof. Marion Tichomirowa leitet das bestehende Isotopenlabor der Universität und hat den Neubau des metallfreien Reinraums im Clemens-Winkler-Bau maßgeblich angestoßen und umgesetzt. „Das Freiberger Isotopenlabor am Institut für Mineralogie führt als einziges Labor in Deutschland die hochpräzise Datierung von Gesteinen durch. Im Vergleich zu anderen Datierungsmethoden können wir mit dieser Methode zehnmal genauer das Alter von Gesteinen bestimmen“, erklärt Professorin Tichomirowa. Das macht die Uran-Blei-Datierung zur derzeit präzisesten „geologischen Uhr“, die der Forschung zur Verfügung steht.
Wichtige Rückschlüsse für die Erdgeschichte
Wenn es beispielweise darum geht, die genaue Abfolge verschiedener geologischer Ereignisse die zeitnah hintereinander erfolgten zu bestimmen, greifen Forschende auf die Uran-Blei-Datierung zurück. „Nehmen wir das Aussterben der Dinosaurier: Es war lange umstritten, ob ein Meteoriteneinschlag vor zirka 66 Millionen Jahren oder die starke vulkanische Aktivität zum Aussterben der Dinosaurier geführt hat. Mit der hochpräzisen Datierungsmethode konnte gezeigt werden, dass beide Ereignisse zum Aussterben beigetragen haben.“
Ein weiteres Beispiel ist die Erzbildung im Erzgebirge. Dazu lieferte die Uran-Blei-Datierung aus dem Freiberger Isotopenlabor schon neue Erkenntnisse: „Wir konnten zeigen, dass die benachbarten großen Granitkörper des Westerzgebirges nicht wie vermutet gleichalt sind. Hingegen bildeten sich zuerst die Granite von Aue-Schwarzenberg (vor rund 323 – 321 Millionen Jahren), worauf zirka zwei Millionen Jahre später (vor 321 bis 319 Millionen Jahren) der Kirchberger Granit intrudierte. Noch einmal gut fünf Millionen Jahre später (vor 316 bis 314 Millionen Jahren) erstarrte dann das Magma des Eibenstocker Granits“, erklärt Prof. Marion Tichomirowa.
Metallfreier Reinraum sorgt für weniger Blei und präzisere Analysen
Das neue Reinraumlabor im Clemens-Winkler-Bau ist eines von wenigen metallfreien Laboren weltweit. Da alle Metalle Blei enthalten, kann es bei der Datierungsmethode durch „Blei-Schmutz“ selbst in einem nicht-metallfreien Reinraumlabor zu Verfälschungen kommen: „Die Mengen des durch radioaktiven Zerfall produzierten Bleis im untersuchten Mineral Zirkon sind extrem gering; sie liegen bei ungefähr 50 Pikogramm, das sind 0,00000000005 Gramm. Die Menge an Blei, die im Labor während der analytischen Schritte dazu kommt, sollte darum, noch einmal mindestens 50- bis 100-mal kleiner sein. Nur im metallfreien Reinraum ist es möglich, so geringe „Blindwerte“ für Blei zu erreichen.“
Im neuen Labor können die Forschenden nun auch kleinere und jüngere Zirkone untersuchen und die Alter dieser Gesteine noch präziser bestimmen als bisher. Im Bereich der Geowissenschaften verfügt die TU Bergakademie Freiberg damit über einen einzigartigen Reinraum, der hochmoderne Forschung ermöglicht. Weltweit gibt es nur rund 10 bis 15 weitere metallfreie Reinraumlabore. Die Kosten für die Einrichtung des Labors von rund 2 Millionen Euro trägt der Freistaat Sachsen.
Forschungsgruppen der TU Bergakademie Freiberg, die das Labor nutzen wollen, wenden sich per E-Mail an Prof. Marion Tichomirowa.