Regenerative synthetische Kraftstoffe können außer in PKWs, LKWs, Flugzeugen oder Schiffen auch im Motorsport eingesetzt werden: Im Juni wurde der im Forschungsprojekt DeCarTrans hergestellte synthetische Ottokraftstoff zum zweiten Mal bei einem 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring getestet. Zwei Fahrzeuge der Teams Griesemann und Bonk Motorsport waren mit dem Benzinblend „Racing e-fuel 98“ auf der Rennstrecke unterwegs und belegten in der Klasse „Alternative Technologien“ die Plätze 2 und 3. Die Ergebnisse der Tests in realen Anwendungen – wie hier auf dem Nürburgring – helfen dem Forschungsteam, Prozess- und Optimierungsschritte für die anstehenden Kraftstoffproduktionskampagnen vorzunehmen.
Herr Professor Gräbner, welche Vorteile bringen die Tests im Motorsport für das Forschungsprojekt?
Test im Motorsport heißt Kraftstofferprobung im Hochleistungsbereich. Bei Rennen werden die Motoren über längere Zeit mit hoher Leistung/hohen Drehzahlen gefahren und dadurch besonders beansprucht. Hierbei kann der synthetische Kraftstoff, der in der motorischen Verbrennung geringere Partikelbildung als konventionelle Kraftstoffe zeigt, seine Vorteile ausspielen. Des Weiteren werden Rennmotoren nach den Veranstaltungen vielfach demontiert und auf Schäden/Verschleißspuren untersucht. Dies lässt im Vergleich Rückschlüsse auf die Qualität des verwendeten Kraftstoffs zu.
Wo wird der synthetische Kraftstoff noch erprobt?
Neben der Erprobung bei Automobilherstellern und Zulieferern (OEMs), die den Kraftstoff auf Motorprüfständen und in Material- und Komponententests untersucht haben, ist insbesondere die Verwendung in PKWs und Motorrädern zu nennen, sowohl im Unternehmenseinsatz als auch bei Endkunden. Bei unserem Tankevent zur diesjährigen Nacht der Wissenschaft und Wirtschaft in Freiberg haben wir beispielsweise zehn Betankungen unter den Teilnehmern unseres Kraftstoffquiz verlost. Die Breite der verschiedenen Anwendungen ist für uns zum einen wichtig hinsichtlich der wissenschaftlichen Erkenntnisse, das heißt das Sammeln von Betriebserfahrungen und Testergebnissen verschiedenster Kraftstoffanwender, die den Kraftstoff in unterschiedlichen Blends (von Super 95 E10 bis hin zu Spezialmischungen mit Oktanzahlen über 100) zum Einsatz bringen. Zum anderen wird so auch die Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit erhöht und damit die Vorteile regenerativer Kraftstoffe einem noch größeren Publikum demonstriert.
Was macht den in DeCarTrans hergestellten Kraftstoff so besonders?
Unser synthetischer Kraftstoff wird aus Bio-Methanol erzeugt, das in der holzverarbeitenden Industrie anfällt. Dieser Ausgangsstoff ist nachweisbar biostämmig, was sich beispielsweise durch die Radiokarbon-Analyse (14C-Bestimmung) bestimmen lässt. Damit ist auch unser Kraftstoff nachweisbar „grün“ und auch die finale Mischung als Super 95 E10, bei der der Ausgangskraftstoff mit 10 % Bio-Ethanol geblendet wird. Mit unserer Freiberger Großversuchsanlage konnten nun erstmals größere Mengen eines solchen regenerativen Ottokraftstoffs für den Einsatz im Kleinflotten- und Endkundenbereich zur Verfügung gestellt werden. Mit einer Tagesleistung von rund 1400 Litern ist unsere Anlage die derzeit mit großem Abstand leistungsfähigste in Europa.
Hinzu kommen die im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen verbesserten Eigenschaften in der motorischen Verbrennung, wie zum Beispiel der bereits erwähnte deutlich geringere Partikelausstoß.
Über das Forschungsprojekt
Im Verbundforschungsvorhaben DeCarTrans, das Projektpartner aus Forschung, Automobil- und Anlagenbau sowie der Mineralölbranche vereint, stellt das Forschungsteam der TU Bergakademie Freiberg zusammen mit dem langjährigen Kooperationspartner CAC Engineering GmbH bis 2026 mehrere hundert Kubikmeter synthetischen Ottokraftstoff her. Dieser wird in der Großforschungsanlage im sächsischen Freiberg aus Bio-Methanol erzeugt. Im Mai 2023 wurden die ersten im Vorhaben produzierten 15.000 Liter des grünen Benzins den Projektpartnern zur Verfügung gestellt; aus den zwei folgenden Produktionskampagnen bis Ende Juni 2024 konnten weitere 125.000 Liter ausgeliefert werden. Mit der Produktion über den geplanten Zeitraum von drei Jahren soll das Projekt die Dauerbetriebsfähigkeit der Technologie nachweisen und demonstrieren, dass regenerative synthetische Kraftstoffe einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten können. Gefördert wird das Verbundprojekt „Demonstrating a Circular Carbon Economy in Transport along the Value Chain“ – kurz DeCarTrans – vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit 14,93 Mio. Euro (Förderkennzeichen: 16RK14004).